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Hormontherapie bei trans Frauen: Forschungsdefizite (Review)

Für Menschen in Transition stellt die Hormontherapie eine entscheidende Therapieform dar. Gerade für trans Frauen ist diese Therapie auch nach 50 Jahren Forschung noch immer nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht. Um hier Abhilfe zu schaffen, werden mögliche Lösungsansätze vorgestellt.

  • Weiterentwicklung der einschlägigen medizinischen Leitlinien (z.B. nach der GRADE-Methode)
  • Weiterbildung für medizinisches Fachpersonal und andere Stakeholder (z.B. PeerBeratende)
  • Forschung gesellschaftlich und wissenschaftlich ausweiten
  • Risiken bestimmter HRT-Konzepte aufzeigen, entsprechende Optimierung der Guidelines
  • HRT für trans Personen zum medialen Thema machen


Haupt, C., et al. (2020). „Antiandrogen or estradiol treatment or both during hormone therapy in transitioning transgender women.“ Cochrane Database of Systematic Reviews.
Dieser systematische Review hat 1057 Studien der letzten 50 Jahre ausgewertet (Stand Dezember 2020)

Die Hormontherapie für trans Frauen steckt auch nach 50 Jahren Forschung noch immer in den Kinderschuhen. Obwohl Hormontherapie auch für trans Frauen überlebenswichtig ist, hat die Forschung bisher wenig evidenzbasierte Ergebnisse zustande gebracht. Im Gegensatz zu Fachleuten wissen Patientinnen in der Regel genau, was die Hormontherapie bewirken soll. Die wenigen Behandlungsleitlinien, die es gibt, sind unverbindlich, es fehlt an wissenschaftlichen Grundlagen. Die methodischen Defizite der bisher vorliegenden Studien sind beträchtlich. Über die Nebenwirkungen der HRT bei trans Frauen gibt zu wenig gesicherte Erkenntnisse.
Bei einem Check von 1057 Studien (gesamte Forschung seit den 1960er Jahren) fand sich keine einzige Arbeit, die den erforderlichen internationalen Mindest-Qualitätskriterien entsprochen hätte. Lediglich 13 Studien erfüllten ein paar Mindestanforderungen, zeigten aber bei genauem Hinschauen gravierende, unverzeihliche Fehler und Qualitätsmängel. Wirkliche gesicherte Erkenntnisse, welche genauen Wirkungen und Nebenwirkungen die Behandlung mit Hormonen hat, wie hoch standardmässig dosiert werden sollte oder welchen Nutzen Hormon-Laborwerte haben, gibt es nicht. An brauchbaren Vorschlägen, wie eine gute Forschung aufgezogen werden könnte, mangelt es wahrlich nicht. Keines der grossen internationalen Forschungszentren hat sich bisher jedoch bemüssigt gefühlt, ernsthafte Anstrengungen in Richtung guter Forschung zu unternehmen.

Daraus kann jedoch keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass auf Hormontherapie verzichtet werden müsste, da die Riŝiken zu wenig erforscht wurden. In der Behandlung der Gender Dysphoria sind Hormontherapien oft unverzichtbar. In vielen Fällen würde bei einer Verweigerung von Hormontherapie Suizid drohen.
Die geringe Evidenz erfordert daher, dass individuelle Patientinnenpräferenzen und Patientinnenbedürfnisse bei der medizinischen Entscheidung wesentlich sind. Es gibt kein Standardvorgehen. Wie bei vielen seltenen Conditions auch, sind pragmatische Entscheidungen die Regel.


Autorin: Claudia Haupt


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  • Zuletzt geändert: 2024/03/13 11:39
  • von c.haupt