stimminkongruenzen

Geschlechtliche Inkongruenzen der Stimme

TransDok ist ein Forschungsprojekt gemäss den Prinzipien der narrativ-basierten Medizin (NbM). Das Projekt wird von der DGHCE, dem Verein Beratungsstelle geschlechtliche Vielfalt e.V., der Association for Evidence-based Gender Heath , des BgV-Beratungskompetenz-Zentrums Göppingen und der Fachstelle Luzern gemeinsam getragen.

Es geht um das gemeinsame Erforschen körperlich-leiblicher, existentieller Erfahrungen und Erlebnisse von Menschen mit Transsexualität.

Betroffene werden zu Autor:innen und nehmen die Ergründung des transsexuellen Phänomens selbst in die Hand. Sie schreiben ihre Erlebnisse und Erfahrungen auf und veröffentlichen authentische Berichte über sich selbst bzw. persönliche Erlebnisse in ihrem Geschlechtsleib und mit ihrem Geschlechtskörper. Themen der Selbstzeugnisse sind der Alltag, die Lebenswelt, Therapien und Erfahrungen mit Krankenkassen, Institutionen, Arbeitsplatz.

Dadurch soll allmählich ein narrativ-basiertes medizinisches, lebendiges Archiv von SELBSTZEUGNISSEN (niederländisch: Ego-Dokumenten) entstehen, das auch Nicht-Betroffenen hilft, Menschen mit Transsexualität besser zu verstehen und künftigen Forschungsprojekte als Grundlage dient.

Es gibt viele Begriffserklärungen und praktische Tipps, damit besser erklärt werden kann, was das Thema transsexueller Menschen ist. Das erleichtert das Festlegen eigener Therapieziele, hilft die richtigen Therapien zu finden und Unterstützung bei der Kommunikation mit der Krankenkasse zu bekommen.

Sinas (Name geändert) medizinische Transition zog sich acht Jahre hin. Hauptproblem war die männliche Stimme, unter der sie massiv litt. Sina hatte massive Ängste mit ihrer Männer-Stimme in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Sie unterzog sich letztlich einer erfolgreichen Stimmoperation in einer koreanischen Klinik und konnte so ihre Stimme tiefgreifend verweiblichen. Der Leidensdruck verschwand vollständig.
Hier ihr Egodokument über ihre Erfahrungen mit ihrer präoperativen Stimme.

Meine laute Männerstimme ist peinlich. Ich spüre starke Ängstlichkeit beim Benutzen des weiblichen Stimmmodus (Unsicherheit). Mich stört meine männliche Stimme. Die ist wie ein grosser Stein. Rau kantig schwer. Beim Telefonieren, wenn ich unter Stress stehe ist meine Stimme brummig und noch unweiblicher. Mich stört die instabile weibliche Höhe, meine Stimme kippt früher oder später weg. Meine Stimme steht meinem Leben als Frau im Wege. Ich vermeide es von Person zu Person zu kommunizieren. Wenn ich mit meiner männlichen Stimme spreche, besonders gegenüber Fremden, bin ich sehr angespannt. Die Spannung steigt, wenn ich meine Stimme im Audio höre. Meine Stimme wird kratzig und müde, wenn ich mit meiner weiblichen Stimme spreche. Mit meiner derzeitigen Stimme habe ich keine Chance von anderen als Frau erkannt zu werden. Ich komme beim Sprechen nicht annähernd in die richtige Stimmhöhe. Besonders beim Sprechen mit Fremden, Verwandten und Freunden drängt sich mir ein Gefühl der Beklommenheit auf. Wenn ich mich in der Öffentlichkeit bewege, achte ich darauf nicht viel oder gar nicht zu sprechen. Solange möglich vermeide ich es sogar. Meine weibliche Stimme klingt künstlich. Selbst mit hoher Konzentration bringe ich es nicht so hin, dass meine Stimme sich anhört wie ich es für notwendig erachte. Nicht den Klang meiner weiblichen Stimme zu erreichen ist eine grosse Qual für mich. Im sozialen Leben gehe ich jedem. Zwischenmenschlichem Kontakt aus dem Weg, um nicht meine derzeitige Stimme zu offenbaren. Ohne Konzentration sinkt meine Stimme auf eine sehr tiefe Stimmlage ab. Ich werde ständig an meine scheussliche, männliche Stimme erinnert. Bei jedem Ton, den ich wiedergebe, ist jedem in meinem Umfeld sofort klar, dass ich nicht als Frau geboren wurde. Jedes Mal, wenn ich dazu gezwungen bin meine Stimme zu benutzen, riskiere ich komische Blicke. Ich gebe mir grosse Mühe meine Stimme zu verstecken. Während der Arbeit verbringe ich viel Zeit am Telefon. Mir tut dabei jede Sekunde weh, weil ich den Kunden nicht mit meiner wahren Stimme begegnen kann. Meine Stimme passt weder zu meinem inneren noch zu meinem äusseren Erscheinungsbild. Im Kontakt mit der Öffentlichkeit achte ich darauf meine Stimme nur dann zu benützen, wenn es wirklich sein muss. Wenn ich mit Fremden spreche ist mir sofort klar, dass sie denken ich sei ein Mann. Wenn ich gezwungen bin mit meiner Männerstimme zu sprechen fühle ich mich sehr niedergeschlagen und lächerlich. Mit den Mitteln, welche meine Stimme mir zur Verfügung stellt, ist es mir unmöglich einen vollumfänglichen weiblichen Klang abzugeben. Wegen meiner Stimme fühle ich mich oft missverstanden. Momentan ist meine Stimme: sehr männlich. Idealerweise klänge meine Stimme: sehr weiblich.



Redaktion: Claudia Haupt


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  • Zuletzt geändert: 2024/03/17 22:06
  • von c.haupt